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Beitrag vom 29.09.2002
Das AVIVA-BERLIN-Interview mit Eva Maria Paaß
Sharon Adler
Eine Führungsfrau der E-Learning-Branche über Frauen & Technik, Frauen in Führungspositionen, Netzwerke, Mentoring und den Versuch, Privatleben und Job zu trennen
Eva Maria Paaß ist seit Oktober 2000 Vorstand / COO der TEIA AG in Berlin (Teles European Internet Academy), einem der führenden europäischen Internet-Ausbildungsbetriebe.
Diese Aufgabe übernahm die Managerin nach dem Wechsel von der Muttergesellschaft, Teles AG, wo sie drei Jahre als Head of Administration & Human Resources tätig war.
Die 47-jährige ist auch Geschäftsführerin des SPC TEIA Lehrbuch Verlags und Mitglied des Kuratoriums des IEB (Institute of Electronic Business).
Als Diplom-Politologin basiert ihre berufliche Laufbahn auf Studien der Lateinamerikanistik, der Politik und des Kultur- und Bildungsmanagements.
Als E-Learning Spezialistin war sie in verschiedenen Positionen im Bildungsbereich tätig, darunter beim Institut für Gruppenforschung in Hamburg und der design akademie Berlin. Ihr Schwerpunkt liegt dabei seit Langem in der Erwachsenenbildung.
Eva Maria Paaß hat einen achtzehnjährigen Sohn.
- AVIVA-BERLIN: Wie trennen Sie Job & Privatleben?
- Eva Maria Paaß: Ich versuche beides strikt zu trennen. Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass es nicht geht. Wenn Sie so viel arbeiten, geht das auf Kosten des Privatlebens. Außer am Wochenende bleibt wenig Zeit, aber damit muss man leben, wenn man sich für so einen Job entscheidet.
Ich wünsche mir noch fünf Jahre so arbeiten zu können. Vorher will ich das Unternehmen an unser Ziel gebracht haben: Tausend Anmeldungen im Monat. Dann wäre ich zufrieden und würde mich auf´s Land zurückziehen und andere Dinge machen.
- AVIVA-BERLIN: Sie sind Diplom-Politologin - also Quereinsteigerin im IT- und Weiterbildungsbereich. Welches Resümee ziehen Sie aus Ihren bisherigen Erfahrungen und welche Vorhaben planen Sie für die Zukunft? Hat Bildung eine besondere Bedeutung für Sie?
- Eva Maria Paaß: Den Schwerpunkt auf die Erwachsenenbildung habe ich schon gelegt, als ich noch Politologie studiert habe. Damals konnte man damit, außer als freiberufliche Trainerin, noch kein Geld verdienen. Mit einer Familie und Kindern ist das nicht zu meistern, weil man dauernd unterwegs ist. Als ich in der Tourismusindustrie gearbeitet habe, hatte ich auf einer anderen Ebene wieder mit Bildung, in Form von Organisation- und Managementseminaren, zu tun.
Das Thema Bildung hat mich von Anfang an begleitet, wenn auch nicht immer hauptberuflich. Bildung ist für mich persönlich sehr wichtig, weil ich einfach mehr wissen will. Es gibt spannende Themen, die nie erschöpfend behandelt werden können.
Durch die neuen Medien haben wir qualitativ und quantitativ ganz andere Bildungsmöglichkeiten, was bei der zunehmenden Kurzlebigkeit des Wissens eine nahezu natürliche Entwicklung ist. Sicherlich kommt es in diesem Zusammenhang auch zu negativen Begleiterscheinungen für einzelne gesellschaftliche Gruppen, die beobachtet und analysiert werden müssen.
Für mich persönlich ist es das Wichtigste, die Fragen zu lösen, die im Laufe des Lebens entstehen, oder zu versuchen, ihnen näher zu kommen. Dann braucht man sich keine künstlichen Fragen zu stellen, wie `Was ist meine Lebensaufgabe?´ Das kommt dann von selbst. Wenn man möglichst nahe an dem dran ist, was einen interessiert und wo einen die Leidenschaft hinzieht, fällt einem auch immer wieder etwas Gutes ein. Und dann ist Fleiß nach wie vor sehr wichtig, auch wenn sich das vielleicht altmodisch anhört.
- Eva Maria Paaß: Für mich sind Rückschläge wichtige Erfahrungen. Ein Rückschlag ist ja immer auch eine neue Chance. Auch wenn das ein abgegriffener Spruch ist.
Wenn man es aber in einer Krise schafft, differenziert hinzuschauen, kann man sehen, dass in einem Rückschlag auch immer eine Information steckt, die man offensichtlich an dieser Stelle noch braucht, um erfolgreich weitermachen zu können. Es ist schwierig, das weiß ich, sowohl in privatem als auch in beruflichem Bereich.
Das lernt man, wenn man älter wird: Lieber hinsehen, als vorbeischauen. - AVIVA-BERLIN: Wo sehen Sie die Vorteile im E-Learning speziell für Frauen?
- Eva Maria Paaß: Die Vorteile sehe ich darin, dass Frauen in der Regel immer noch häuslich stärker gebunden sind als Männer, ob sie nun alleinstehend oder verheiratet sind. Es wird nach wie vor als normal empfunden, dass Frauen sich mehr um den Haushalt und die Kindererziehung kümmern, als Männer das tun. Insofern ist web-basiertes Lernen gerade für Frauen mit Kindern ideal, weil es eine zeitliche Flexibilität bietet, die bisher nicht vorhanden war.
- AVIVA-BERLIN: Abgesehen von der finanziellen Problematik gibt es ja auch eine technische Hemmschwelle. Warum ergreifen immer noch weniger Frauen als Männer Berufe im technischen Umfeld?
- Eva Maria Paaß: Ich denke, das ist eine Frage des fehlenden Selbstbewusstseins. Das ist schade, denn Frauen arbeiten in der Regel disziplinierter und sind besser organisiert. Beispielsweise ist E-Business ein Berufsfeld, in dem bestimmte Softskills benötigt werden, um Kunden bzw. Auftraggeber zu verstehen. Es ist ein kompliziertes Geschäft: Sie helfen einem Unternehmen, neue Absatzmärkte zu finden, sich neu zu präsentieren und in einem Markt zu positionieren. Dabei gilt es auch Vorbehalte auszuräumen und Berührungsängste zu minimieren.
Ich glaube, dass Frauen das gut können und es ihnen leichter fällt zuzuhören als Männern. - AVIVA-BERLIN: Was müsste getan werden, um mehr Frauen für IT-Berufe zu begeistern?
- Eva Maria Paaß: Immer wenn der Begriff Business auftaucht, sind Frauen ein wenig verschreckt, weil sie glauben, Business ist nur etwas für Männer. Weil sie sich selber gar nicht zutrauen, sich in dieser Welt zurechtfinden zu können oder behaupten zu können. Dabei werden die Fähigkeiten von Frauen zunehmend wichtiger.
Deswegen finde ich es auch gut, wenn man mit Medien zu tun hat, die Frauen ansprechen, weil man nicht oft genug sagen kann, dass Fähigkeiten, die Frauen während ihres Lebens erwerben - gerade durch Kindererziehung und Organisation, Aufgaben, die sie ja ständig bewältigen - besonders prädestiniert für Managementaufgaben sind und gar keine Veranlassung besteht, zu glauben, dass das unerreichbare Ziele sind. - AVIVA-BERLIN: In welchen Frauennetzwerken sind Sie aktiv?
- Eva Maria Paaß: Ich bin im Verband der Unternehmerinnen. Ich bin regelmäßige Besucherin von Veranstaltungen des EWMD. Außerdem habe ich lange im Webgrrls-Netzwerk mitgearbeitet, habe aber immer weniger Zeit dafür.
- AVIVA-BERLIN: Warum gibt es Ihrer Meinung nach zu wenig Frauen in Führungspositionen? Chancen und Hindernisse?
- Eva Maria Paaß: Ich glaube, das ist eine Mischung aus fehlendem Selbstvertrauen und objektiven Gründen, die auf Seiten der Männer liegen. Männer lassen sich nicht gerne in die Karten gucken und Männer wollen bestimmte Privilegien nicht verlieren. Es muss aber bei Frauen auch die Bereitschaft bestehen, zunehmend Verantwortung zu übernehmen.
- AVIVA-BERLIN: Es wird Frauen oft nachgesagt, in bestimmten Positionen zu emotional zu werden...
- Eva Maria Paaß: Oder man wird zu hart, weil man den anderen, mittleren Weg noch nicht kennt. In der Durchsetzung bestimmter Entscheidungen gelte ich eher als hart. Ich glaube aber, dass ich als Autorität akzeptiert werde, auch ohne "brutal" werden zu müssen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass wir in unserem Unternehmen immer offene Türen haben.
Auf der einen Seite ist klar, dass Entscheidungen konsequent durchgesetzt werden müssen und auf der anderen Seite stehe ich immer für ein Gespräch zur Verfügung. Ich glaube, das kommt beides rüber.
AVIVA-BERLIN: Was halten Sie von Mentoring als Förderungsmöglichkeit für junge Frauen?
- Eva Maria Paaß: Ich berate junge Leute, die auf mich zukommen, wenn es um Schul- oder Berufsfragen geht. Allerdings arbeite ich nicht organisiert als Mentorin für andere Frauen. Ich habe schon darüber nachgedacht, ob das nicht sinnvoll wäre. Aber dafür muss man sich Zeit nehmen und ich kann nie vorhersehen, wie mein Zeitbudget ist.
Andere anzuleiten und zu begleiten, ist eine ernstzunehmende Sache. Das kann man nicht so nach Belieben anfangen und dann wieder aufhören. Ich könnte mir aber vorstellen, das mal richtig organisiert zu machen. Es ist auf jeden Fall einfacher, wenn man jung ist und jemanden hat, mit dem man sprechen kann.
- AVIVA-BERLIN: Haben Sie selber einen Coach?
- Eva Maria Paaß: Anderen kann man schnell Ratschläge geben, aber es ist auch wichtig, selber mit jemandem sprechen zu können, der außerhalb eines bestimmten Konflikts steht. Ich hatte aus diesem Grund auch einen Coach, eine Frau, zu der ich gehen konnte, wenn es schwierige Fragen gab, um zu einer objektiveren Sichtweise zurückzufinden.
- AVIVA-BERLIN: Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Woche frei. Was tun Sie?
- Eva Maria Paaß: Ich fahre nach Karlsbad und mache eine Badekur.
- AVIVA-BERLIN: Da wünschen wir Ihnen, dass das bald klappt! Vielen Dank!